Geschichte

Vom Türmer zur Musiktradition

444 Jahre Waldthurner Musikgeschichte

Waldthurn kann auf eine außergewöhnlich lange und lebendige Musiktradition zurückblicken. Ihren Ursprung hat sie in der alten Türmerstelle, deren Anfänge bis ins 16. Jahrhundert reichen. Der Türmer war einst Kirchendiener, Wächter und Musiker in einer Person. Er hatte die Aufgabe, vom Turm aus Feuer oder Feinde zu melden, die Kirchenglocken zu läuten und die kirchlichen Feiern musikalisch zu gestalten.

Bereits 1582 sind in alten Kirchenrechnungen erste Bezüge an den Türmer urkundlich erwähnt. Damals erhielt er seine Besoldung in Form von Naturalien – Getreide und Holz – aus den Erträgen des sogenannten Kirchenzehent.

Der Kirchenzehnt war im Mittelalter eine Abgabe an die Kirche, bei der Gläubige den zehnten Teil ihres Ertrags – meist aus der Landwirtschaft – in Form von Naturalien an die Kirche zahlen mussten.

Nach der Reformation, als die Kirche viele dieser Einnahmen verlor, wurde die Besoldung aus dem Amtskasten des Marktes Waldthurn übernommen.

Seit 1657 sind diese Zahlungen genau belegt. Der Türmer erhielt jährlich mehrere Schäffel Korn und Gerste sowie eine Holzvergütung aus den fürstlichen Wäldern. Diese Bezüge blieben über Jahrhunderte erhalten.

Als frühester bekannter Türmermeister wird Andreas Schriml genannt, der vor 1776 verstarb. Ihm folgte sein Sohn Georg Schriml, der 1799 im Amt verstarb. Danach übernahm Josef Schriml die Türmerstelle. Über Generationen hinweg blieb das Amt in der Familie und prägte das musikalische Leben Waldthurns entscheidend.

Die Schrimls waren nicht nur Türmer, sondern begabte Musiker. Schon im 18. Jahrhundert verfügten sie über eine bemerkenswerte Sammlung an Instrumenten – Trompeten, Hörner, Geigen, Klarinetten, Posaunen und Zimbeln. Sie sorgten bei Gottesdiensten, Prozessionen, Marktfeiern und bürgerlichen Festen für festliche Musik und legten so den Grundstein für die spätere Blasmusiktradition des Ortes.

Im 19. Jahrhundert führte Bartholomäus Schriml das Amt 50 Jahre lang. 1886 wurde sein Dienstjubiläum mit einem großen Festgottesdienst gefeiert. Nach seinem Tod 1887 übernahm sein Sohn Peter Schriml die Türmerstelle. Er war gelernter Musiker und diente zuvor als Hautboist beim 6. Infanterieregiment. Mit großem Engagement gründete er eine eigene Kapelle.

2.Reihe sitzend, von Links nach Rechts: 2. Franz Schriml; 3. Peter Schriml; 4. Bartholomäus Schriml

Peter Schriml komponierte zahlreiche Musikstücke – Märsche, Walzer, Polkas und Galopps. Besonders bekannt wurden der „Turner-Walzer“ und der „Tanzerangl“-Galopp, die noch Jahrzehnte später von der Waldthurner Kapelle gespielt wurden.

Nach Peter Schriml übernahm 1894 sein Bruder Franz Schriml die Türmerstelle. 1905 heiratete dessen Tochter Theresia den Pleysteiner Türmerssohn Josef Müllner, womit die musikalische Tradition in eine neue Familie überging.

1920 trat Josef Müllner offiziell die Nachfolge seines Schwiegervaters als Türmer an. Mit ihm begann die Ära der Familie Müllner, die bis in die Gegenwart das Musikleben Waldthurns prägt. Müllner war nicht nur Türmer, sondern auch leidenschaftlicher Musikmeister. Er leitete die Kapelle über Jahrzehnte, bildete junge Musiker aus und führte die musikalische Arbeit in der Gemeinde fort.

1. Reihe von links: Matthias Kick, Emeram Daubenmerkl, Josef Pflaum, Josef Probst, Max Bauer, Oskar Ertl, Hans Bauer, Karl Bergler; 2. Reihe sitzend: Hans Grünauer, Josef Kleber, Josef Müllner, Franz Müllner, Hans Pühler

Nach seinem Tod im Jahr 1956 übernahm sein Sohn Josef Müllner jun. die Leitung. Geboren 1920, erhielt er bereits in der Kindheit eine gründliche Ausbildung auf Violine, Zither, Gitarre, Klarinette und Tenorhorn. Nach dem Krieg baute er die Musikkapelle neu auf und formte sie zu einem beachtlichen Klangkörper. Unterstützt wurde er dabei von seinem Bruder Franz, der als Waldhornist und Militärmusiker tätig war.

In den 1960er-Jahren erlebte die Kapelle eine Blütezeit. Sie erhielt eine neue Tracht und nahm an zahlreichen Wettbewerben teil. 1966 errang sie beim Musikfest in Wackersdorf den zweiten Preis und machte den Namen Waldthurn weit über die Oberpfalz hinaus bekannt.

1. Reihe stehend: Albert Vitzthum, Albin Meier, Karl Pflaum, Gerhard Müllner, Oskar Weidensteiner, Karl Müller 2. Reihe stehend: Franz Vitzthum, Josef Pflaum, Josef Müllner, Josef Müllner (Kapellmeister), Alfred Götz, Josef Götz, Johann Fürnrohr 3. Reihe sitzend: Hans Hierold, Josef Lindner, Karl Kick, Josef Pflaum sen., Franz Müllner

Die Trachtenkapelle Müllner wurde 1994 von einer Privatkapelle in eine Vereinskapelle gewandelt. Hier endete auch die Dirigentenzeit von Josef Müllner sen. Sie wird nun von einem neu gewählten Vorstand geführt, der sich aus Musikern der Kapelle zusammensetzt. Erster Vorstand des neu gegründeten Vereins war Alfred Götz und Dirigent wurde Josef Müllner, ein Neffe des mittlerweile verstorbenen Musikmeisters Josef Müllner sen.

Auch unter Josef Müllner wurde der Klangkörper weiter ausgebaut und verfeinert. Höhepunkte in dieser Zeit waren die Teilnahme am Gambrinus Blasmusik Wettbewerb in Pilsen und die Verleihung der Pro-Musica-Plakette 1999 in Neu-Ulm, durch den damaligen Wissenschaftsminister Hans Zehetmair.

Im Jahr 1996 konnte unter der Regie von Alfred Götz der erste eigene Proberaum im Bauhof der Gemeinde Waldthurn bezogen werden. Nachdem der 1. Vorstand Alfred Götz im Jahr 2002 verstarb, ist Thomas Bergmann seit dieser Zeit der 1. Vorstand des Vereins Trachtenkapelle Müllner Waldthurn e. V.

In dieser Zeit wurde im Jahre 2007 das 425 jährige Bestehen der Trachtenkapelle gefeiert. Schirmherren waaren Landrat Simon Wittmann und Josef Beimler, 1. Bürgermeister von Waldthurn. Auch eine neue Tracht wurde zu diesem Jubiläum angeschafft.

Um das Fortbestehen der Trachtenkapelle zu sichern und um Nachwuchsmusiker für die Blasmusik zu gewinnen, entschloss man sich 2009, einen Workshop für Blasmusik im Rahmen des Ferienprogramms zu veranstalten. Dieser war ein voller Erfolg und es konnten viele Nachwuchsmusiker gewonnen werden, so dass es im Verein Trachtenkapelle Müllner Waldthurn e. V., 2 weitere Musikkapellen gibt: Den Waldthurner Blechhaufen und die Blechhaufen Youngsters. Die Dirigenten sind Stephan Striegl und Monika Stahl

Nachdem der Proberaum im Bauhof zu klein wurde, konnte 2015 ein neuer Proberaum im ehemaligen Schwesterwohnheim bezogen werden.

Seit 2014 hat die Trachtenkapelle eine neue musikalische Leiterin. Mit Cornelia Kraus aus Waidhaus konnte eine engagierte und kompetente Dirigentin gewonnen werden, die die Trachtenkapelle durch intensive und konsequente Probenarbeit musikalisch fördert und verbessert.

Nachdem Thomas Bergmann das Amt des ersten Vortandes nach 17 Jahren niederlegt, übernimmt Birgit Bocka seit November 2019 seine Tätigkeiten. Thomas erhielt vom Nordbayrischen Musikbund die Ehrennadel in Gold für seine lange Arbeit im Verein